
Im modernen Hallenbau sind es oft die unscheinbaren Details, die über die Qualität, Sicherheit und Langlebigkeit eines gesamten Bauwerks entscheiden. Ein solcher entscheidender, aber häufig unterschätzter Aspekt sind die Anschlüsse. Auf den ersten Blick mögen Anschlüsse nur als Mittel zum Zweck erscheinen – als Schrauben und Platten, die Stahlträger zusammenhalten. Doch diese Sichtweise greift zu kurz.
Jeder Hallenrahmen und jeder Fachwerkträger ist nur so stark wie seine schwächste Verbindung. Ein Fehler im Design oder in der Ausführung eines einzigen Anschlusses kann die Integrität der gesamten Konstruktion gefährden.
Grundlagen und Definition
Fachlich korrekt wird ein Anschluss als der konstruktive Punkt definiert, an dem sich die Schwerachsen von mindestens zwei Bauteilen treffen, um Kräfte und Momente sicher von einem Bauteil auf das andere zu übertragen. Diese Punkte werden auch als Knoten oder Verbindungen bezeichnet.
Stellen Sie sich einen Hallenrahmen vor: Er besteht aus einzelnen Stützen (den vertikalen Elementen) und Riegeln (den horizontalen oder geneigten Dachelementen). Für sich genommen sind dies nur separate Stahlprofile. Erst die Anschlüsse an den Ecken und am First fügen sie zu einem stabilen, tragfähigen Gesamtsystem zusammen. Die Gesamtlast der Halle – Eigengewicht, Schneelast, Winddruck – wird durch diese Knotenpunkte geleitet und schließlich in die Fundamente abgetragen. Die Art, wie ein Anschluss bemessen und ausgeführt wird, ist ebenso kritisch wie die Dimensionierung der Träger und Stützen selbst.
Charakteristik – Gelenkig vs. Biegesteif
Die wichtigste Charakteristik zur Klassifizierung von Anschlüssen ist ihr Verhalten unter Last, insbesondere ihre Fähigkeit, Biegemomente aufzunehmen und Rotationen zuzulassen. Gemäß der maßgeblichen europäischen Norm DIN EN 1993-1-8 werden Anschlüsse primär in zwei Hauptkategorien unterteilt.
- Biegesteife (oder starre) Anschlüsse: Diese Verbindungen sind so konstruiert, dass sie Biegemomente nahezu ohne Verformung übertragen. Ihre Momententragfähigkeit ist mindestens so groß wie die des schwächeren angeschlossenen Bauteils. Man kann sich einen solchen Anschluss wie eine perfekt verschweißte Ecke vorstellen, die auch unter hoher Last ihren Winkel beibehält. Sie sorgt für eine steife Rahmenwirkung.
- Gelenkige Anschlüsse: Im Gegensatz dazu sind gelenkige Anschlüsse so konzipiert, dass sie eine freie Verdrehung der verbundenen Bauteile ermöglichen, während sie primär Querkräfte übertragen. Sie sind bewusst so ausgelegt, dass sie nur sehr geringe Biegemomente aufnehmen können. Ein gutes Analogon ist ein Türscharnier: Es hält die Tür sicher in ihrer Position (überträgt die Gewichtskraft), erlaubt ihr aber, sich frei zu drehen.
Daneben gibt es die Kategorie der nachgiebigen Anschlüsse, die eine Zwischenform darstellen und sowohl Biegemomente übertragen als auch eine definierte Rotation aufweisen. Die Wahl zwischen biegesteifen und gelenkigen Anschlüssen ist eine fundamentale Ingenieursentscheidung, die die „strukturelle DNA“ der gesamten Halle festlegt.
Ein biegesteif ausgebildeter Hallenrahmen nutzt momententragfähige Anschlüsse, um große, offene Innenräume ohne störende Diagonalverbände zu schaffen – ein unschätzbarer Vorteil für Produktionshallen oder Werkstätten. Ein Fachwerkträger hingegen, wie er oft in Leichtbauhallen oder Lagerhallen mit großer Spannweite zum Einsatz kommt, nutzt bewusst gelenkige Knoten. Dadurch werden die Kräfte in den Stäben in reine Zug- oder Druckkräfte aufgelöst, was eine leichte und materialsparende Bauweise ermöglicht.
Der Schraubanschluss
Während Schweißverbindungen vor allem in der Werkstatt eine wichtige Rolle spielen, dominiert auf der Baustelle der Schraubanschluss. Dieser Anschluss ist das Herzstück der modernen Systembauweise – schnell, präzise und unabhängig von Wetterbedingungen montierbar.
Ein moderner, hochfester Schraubanschluss besteht jedoch nicht aus beliebig kombinierten Einzelteilen. Die Normen – insbesondere DIN EN 15048-1 für nicht planmäßig vorgespannte Verbindungen und DIN EN 14399-1 für hochfeste vorspannbare (HV) Verbindungen – schreiben die Verwendung kompletter, zertifizierter Garnituren vor. Eine solche Garnitur umfasst Schraube, Mutter und mindestens eine Scheibe, die von einem Hersteller stammen und als geprüftes System gekennzeichnet sind. Übliche Festigkeitsklassen sind 8.8 und 10.9; die Zahlen geben Aufschluss über Zugfestigkeit und Streckgrenze des Materials.
Stecker – Vereinfachung im Detail
Neben den hochbelasteten Hauptanschlüssen gibt es im Hallenbau eine Vielzahl untergeordneter Verbindungen. Hier fällt gelegentlich der umgangssprachliche Begriff „Stecker” oder „Steckverbindung”. Dieser ist in den technischen Normen nicht formal definiert, beschreibt aber treffend eine bestimmte Art von Anschluss. Ein Stecker bezeichnet in der Regel eine vereinfachte, häufig formschlüssige mechanische Verbindung für sekundäre Bauteile, beispielsweise die Befestigung von Dachpfetten oder Wandriegeln an den Hauptrahmen.
Stützenfuß
Der buchstäblich fundamentalste Anschluss einer jeden Halle ist der Stützenfuß (oder Fußpunkt). Dies ist die Verbindung zwischen der Stahlstütze des Hallenrahmens und dem Betonfundament. Alle Lasten, die auf die Halle wirken, werden hier gesammelt und über die Fundamente sicher in den Baugrund eingeleitet. Typischerweise wird am unteren Ende der Stahlstütze werkseitig eine stählerne Fußplatte angeschweißt. Diese Platte wird auf der Baustelle auf dem fertigen Fundament positioniert und mit Bodenanker verschraubt, die zuvor präzise im Fundamentbeton eingegossen wurden.
Das Tragwerk
Bei Hallenrahmen sind biegesteife Stirnplattenanschlüsse der Standard. An den Rahmenecken – also am Übergang von Stütze zu Dachriegel – sowie am First werden die Bauteile über angeschweißte Stahlplatten und mehrere Reihen hochfester Schrauben kraftschlüssig verbunden. Anders verhält es sich bei Fachwerkträgern, die sich besonders für Leichtbauhallen oder sehr große, stützenfreie Spannweiten eignen. Hier kommen in der Regel gelenkige Anschlüsse zum Einsatz. Die einzelnen Stäbe – Obergurt, Untergurt und Diagonalen – treffen sich in Knotenpunkten, die meist über eingeschlitzte Knotenbleche sowie Bolzen- oder Schraubenverbindungen ausgebildet werden.
Oft stellt sich die Frage: „Warum nicht überall den stärksten, biegesteifen Anschluss verwenden?“ Die Antwort verdeutlicht unsere ingenieurtechnische Kompetenz: Der „stärkste“ Anschluss ist nicht zwangsläufig der „beste“. Die Wahl des Tragwerks ist stets das Ergebnis eines Optimierungsprozesses. Ein starrer Rahmen bietet zwar freie Flächen ohne störende Diagonalen, erfordert jedoch schwerere Profile und aufwendigere, kostenintensivere Verbindungen. Ein Fachwerk dagegen ist leichter und wirtschaftlicher, kann aber durch seine Diagonalstäbe die Nutzung des Innenraums oder die Führung von Haustechnik einschränken.